„Öh, naja, ich meine, Wasser nicht so viel, aber Tee, nicht Schwarztee natürlich, Rooibos Tee, der ist ja gesund, weil er kein Koffein enthält, also eigentlich ein Kräutertee ist, Wasser trinke ich nicht so viel, Kaffee trinke ich auch, ja ich weiß, das darf man nicht zu den Flüssigkeiten zählen, aber wie gesagt, Tee ist ja schon Flüssigkeit und im Essen steckt ja auch Flüssigkeit und…“
Ich quasselte mich um Kopf und Kragen.
Mein Heilpraktiker legte beschwichtigend eine Hand auf meinen Unterarm und meinte: „Die nächtlichen Kreuzschmerzen sind Ihre Nieren, Frau Scharnagl, Ihr Körper ist DAUER-DEHYDRIERT. Ihr Tagesziel ab jetzt sind zwei Liter stilles Wasser, besser zweieinhalb!“
Zwei Liter Wasser! Würg!! Allein beim Gedanken daran, wusste ich, dass ich vor einer echten Challenge stand. Ich wachte seit einem ganzen Jahr jede Nacht mit massiven Kreuzschmerzen (sprich Nierenschmerzen) auf. Schlaf war ein Luxusgut geworden und der Hauptgrund, warum ich hoffnungsvoll bei einem Heilpraktiker gelandet war. Mit einem Wort – ich würde alles tun, um wieder schlafen zu können und keine Schmerzen zu haben!
Als Kinder haben wir eingetrichtert bekommen, wie wichtig das Trinken ist. Im Laufe des Erwachsenwerdens und als Kind der 70er und 80er, verlernte ich Wasser zu trinken. Softdrinks hatten den Siegeszug um die Welt angetreten. Nicht, dass ich ständig Softdrinks bekommen hätte. Dafür waren sie in einem Lehrerhaushalt immer noch zu teuer. Ich gewöhnte mich aber an den süßen Geschmack, Wasser wurde uninteressant. Mein Körper hatte viele Jahrzehnte verziehen, bis er es irgendwann nicht mehr getan hat…
Da stand ich nun und überlegte fieberhaft, wie ich es schaffen konnte, dieses Wasser in mich hinein zu bekommen, ohne dass es sich umgehend den Weg nach außen bahnte. Wie so oft im Leben kam die Antwort, nachdem endlich die richtige Frage gestellt worden war. Diesmal in Form der Idee meiner mittleren Tochter. Sie hatte eine Flasche im Internet entdeckt, die gute zwei Liter Wasser beherbergen konnte und auf der alle paar Milliliter motivierende Worte standen: „So sehen wir dann, wieviel wir schon getrunken haben, das wird ganz leicht, Mama!“ Ihr Wort in Gottes Ohr, das Wasser aber noch lang nicht in meinem Körper…
Die Flaschen wurden bestellt. Zwei Stück in unterschiedlichen Farben für die Unterscheidung und die gegenseitige Motivation.
7 Uhr: GOOD MORNING
Da glotzte mich um sieben Uhr morgens der erste Spruch auf einer unfassbar RIESIGEN Flasche voller stillem Wasser an. Auf nüchternem Magen?! „Viel Vergnügen, Edda.“, feuerte ich mich sarkastisch an. Naja, mit ein bisschen Zitrone darin klappt es vielleicht. Das tat es die ersten Tage. Die ersten Milliliter waren platziert. Halleluja!
9 Uhr: FEELING OPTIMISTIC
Puh, naja, nicht so recht, aber was solls. Informationeeeeen!! ich musste an Informationen ran. Wenn ich mehr zum Thema erfuhr, konnte ich vielleicht dran bleiben. Also begann ich mich in die Materie einzulesen. In den darauffolgenden Tagen fand ich nicht nur heraus, dass dauerhaft zu wenig zu trinken gesundheitsgefährdend ist, sondern einem Selbstmord auf Raten gleichkommt!
11 Uhr: MIND YOUR GOAL
Ja, ich behalte das Ziel im Auge – zwangsläufig, rmpf! Und nein, leider übertreibe ich nicht was den Selbstmord auf Raten anbelangt:
Wassermangel behindert das Immunsystem bei der Arbeit.
Wassermangel bewirkt Bluthochdruck, weil Blutgefäße sich verengen.
Wassermangel ist der größte Dauerstressfaktor des menschlichen Körpers.
Wassermangel trägt maßgeblich zu Verdauungsstörungen bei.
Wassermangel kann die Ursache für Schmerzerkrankungen jeder Art sein (Rheuma, Migräne, Sodbrennen,…).
Wassermangel schadet dem Gehirn.
Wassermangel kann Herzkrankheiten begünstigen.
Wassermangel verursacht Nierensteine.
Und so weiter und so fort… (nachzulesen bei: siehe Empfehlungen unten)
13 Uhr: DRINK MORE
Bin eh schon DABEI, verflixt!! „Würdest du deine Wäsche mit etwas anderem als klarem Wasser waschen?“, fragte mich mein Heilpraktiker beim nächsten Besuch (inzwischen waren wir per du). Ich jammerte ein bisschen herum, wie schwierig ES und wie tapfer ICH wäre. „Nein, würde ich natürlich nicht.“, sagte ich patzig. Obwohl nicht sofort hilfreich, etablierte sich ein starkes Bild in meinem Kopf. Meine Wäsche wird nicht sauber von dunkelbraunem Wasser, mein Körper auch nicht. Hab verstanden.
15 Uhr: KEEP CHALLENGE
Ja – haaa!! Bereits am vierten Tag meiner Trink-Challenge bemerkte ich ein Zurückgehen der nächtlichen Schmerzen – ganz deutlich!
17 Uhr: NEVER SAY NEVER
Nach einer Woche des täglichen Trinkens von mehr als zwei Litern Wasser war der Schmerz WEG! Einfach Wasser trinken? Ein Jahr lang lag meine einzige Challenge in der Entscheidung ein wenig Schlaf durch ein Schmerzmittel zu kriegen oder gar nicht zu schlafen, um nicht Schmerzmittel abhängig zu werden. Wasser war des Rätsels Lösung? Tatsächlich. Sag niemals nie!
19 Uhr: ALMOST THERE
Nicht nur die Schmerzen, an denen ich fast verzweifelt wäre, waren verschwunden. Meine Haut wurde straffer, reiner und war weniger trocken. Die Augenringe verloren ihre Tiefe. Außerdem waren meine prämenstrualen Beschwerden weniger geworden und meine Verdauung tickte wie ein Uhrwerk. Ich konnte es nur unumwunden zugeben:
Wasser ist Medizin und Lebenselixier in einem!
21 Uhr: YOU DID IT
Ja, ich habe es geschafft – zumindest für diesen Tag. Täglich mehr als zwei Liter Wasser zu trinken ist und bleibt herausfordernd für mich. Meine tagtägliche Aufgabe, auf die ich auch ein halbes Jahr später jeden Tag Aufmerksamkeit lenken muss, um sie zu bestehen. Die Mühe ist es tausendfach wert.
Gute Nacht und bis morgen, liebe Flasche, danke für deine tägliche Motivation!
- F. Batmanghelidj: „Sie sind nicht krank, Sie sind durstig – Heilung von innen mit Wasser und Salz“ (Kirchzarten bei Freiburg, 2019, 19. Auflage)sen:
- Thomas Rampp: „Wie Wasser heilt“ (München 2019)